Equines Herpesvirus (EHV)

Herpesinfektionen gehören bei Pferdehaltern zu den gefürchtetsten Erregern. Vor allem sind es die Züchter, die bei einem Ausbruch der Virusinfektionen mit hohen Verlusten zu kämpfen haben. Besonders – aber nicht nur - in den Wintermonaten kommt es immer wieder zu Ausbrüchen, eine Impfpflicht besteht jedoch (noch) nicht. Was diesen Erreger so gefährlich macht, und was die aktuellen Fälle im März 2021 von anderen unterscheidet, soll der folgende Artikel erläutern.

Was ist Herpes?


Herpes ist ein DNA-Virus, das die Nervenzellen des Pferdes angreift. Insgesamt sind neun Spezies bekannt. Fünf davon betreffen das Pferd. Vor allem der Stamm EHV-1 ist gefürchtet, nicht zu Unrecht trägt er auch den Namen „Virusabort für Stuten“. EHV-1 löst neurologische Erkrankungen wie EHM (equine Herpesmyeloenzephalitis) sowie Schäden im Respirationstrakt aus. Bei den aktuellen Herpes-Infektionen, die auf ein internationales Reitturnier in Valencia, Spanien zurückzuführen sind, handelt es sich um genau diesen Typen. Im Gegensatz zu den anderen Formen ist diese Variante besonders infektiös und daher gefürchtet. Bei ausgewachsenen Pferden sind die Krankheitsverläufe meist inapparent, vor allem junge Pferde haben mit schlimmeren Verläufen zu kämpfen. Für den Menschen ist das EHV-Virus, genauso wie für andere Tiere, ungefährlich, sie können jedoch, wie im weiteren Verlauf erläutert, als Vektor fungieren und das Virus weitertragen.

Krankheitsverlauf/Symptome


80% aller Pferde sind Träger von EHV, sie sind lediglich von dem Virus besiedelt, ein Eindringen in den Körper erfolgt im gesunden Zustand nicht. Man nennt dies „latent“. Dieser Zustand kann durch Stress z.B. bei einem Transport oder Training reaktiviert werden, das Pferd erleidet dann eine akute Erkrankung. Übertragen wird das Virus entweder direkt durch Tröpfcheninfektionen und absorbiertes Material wie Kot oder Fellreste, aber auch indirekt über Gegenstände und Personen.

Zunächst befällt das Virus die oberen Atemwege und vermehrt sich dort. Hier treten nach einer Inkubationszeit von 2-10 Tagen erste respiratorische Symptome wie Nasenausfluss oder Husten auf. Wird der Nasenausfluss schleimig und eitrig, so kann eine bakterielle Sekundärinfektion in Betracht gezogen werden. Vor allem der Typ EHV-4 ist für seine Schäden im Respirationstrakt bekannt. Später gelangt das Virus über die Blutbahnen auch in andere Organe. Zusätzlich zur Atemwegsinfektion wird das Rückenmark angegriffen.

Folglich treten Symptome unterschiedlicher Schweregrade auf. Von vorübergehendem Schwindel und Koordinationsstörungen, über Ataxie bis hin zur Tetraplegie (Gelähmtheit aller vier Gliedmaßen) und Inkontinenz sind alle denkbaren Formen möglich. Hinzukommen können Erkrankungen der Augen, die in schweren Verläufen bis zu Blindheit führen können. Der Schweregrad der Symptome kann unter anderem durch Stress negativ beeinflusst werden.

Herpes bei Zuchtstuten


Vor allem der Typ EHV-1 ist bei Züchtern gefürchtet, da mit einer Infektion oftmals Aborte im späten Stadium oder schwache Fohlen einhergehen. Ausgelöst werden diese durch eine Vaskulitis (Gefäßentzündungen). Das Virus greift die Gebärmutter an und entzieht dem Fohlen die Nährstoffzufuhr. Die Inkubationszeit zwischen der Infektion der Mutterstute und dem Abort des Fohlens beträgt 2 Wochen bis 4 Monate. Der Abort kündigt sich kaum an, der Ausstoß des Fötus findet rasch und unerwartet statt. Die Stuten sind meist selbst nicht akut erkrankt. Ausgetragene und infizierte Fohlen sterben oft wenige Tage nach der Geburt.

Durch eine Impfung und ein besseres Herdenmanagement hat die Zahl der Aborte zwar insgesamt abgenommen, jedoch bieten die getroffenen Maßnahmen keine absolute Sicherheit. Ein Großteil der Tiere in einem Stall ist infiziert, viele Aborte, aber auch neurologische Krankheitsbilder sind auf die Reaktivierung einer latenten Verlaufsform durch Stress zurückzuführen.

Diagnose


Nachweisen lässt sich das Virus durch Antikörpertests. Mithilfe von Nasen-Rachen-Tupfern oder auch aus den abortierten Föten oder der Plazenta könne diese mittels PCR vervielfältigt und anschließend identifiziert werden. Auch kann das Virus in der Lunge oder der Milz nachgewiesen werden. Bei neurologischen Auffälligkeiten kann zusätzlich durch eine entsprechende Vorgeschichte oder eine eventuelle Häufung der Befunde auf EHV-Viren geschlossen werden.

Behandlung/ Prophylaxe


Wie bereits oben erwähnt, hat die Zahl der Aborte durch regelmäßig aufgefrischte Impfungen und ein verbessertes Herdenmanagement in den letzten Jahren abgenommen, jedoch kommt es auch heute noch, vor allem im Winter – nicht nur, aber vorrangig – zu Ausbrüchen. Daher ist es umso wichtiger eine Herdenimmunität herzustellen. Nur die „wertvollen“ Tiere zu schützen, macht wenig Sinn. Eine sogenannte „Notimpfung“ unmittelbar nach dem Auftreten erster Fälle in der näheren Umgebung ist ebenfalls wenig vorteilhaft, da eine Impfung das Pferd zunächst etwas schwächt. Zudem bietet die Impfung selbst keinen hundertprozentigen Schutz gegen einen Ausbruch der Krankheit. Sie lindert lediglich die Symptome und den Krankheitsverlauf, da die Vermehrung der Viren durch den Impfstoff gehemmt ist. Somit scheidet das Pferd auch nicht so viele infektiöse Viren aus, wie es ein ungeimpftes Pferd machen würde.

Ist das Virus doch ausgebrochen, so hat es oberste Priorität, das Pferd zu isolieren, damit es nicht zu weiteren Infektionen kommt. Da das Virus, wie oben erwähnt, auch auf Gegenständen und der Kleidung haftet, sollte bei der Pflege des erkrankten Pferdes stets separate Kleidung getragen und eigenes Putzzeug verwendet werden. Dem erkrankten Pferd wird zunächst eine Infusion verabreicht, um die Schmerzen zu lindern. Grundsätzlich können nur die Symptome behandelt werden, der Erreger selbst muss vom Immunsystem bekämpft werden. Und um genau dieses zu stärken, bieten sich Vitamin-B Präparate an, die die Nerven unterstützen. Bei einer bakteriellen Sekundärinfektion werden zusätzlich Antibiotika verabreicht. Bei Gleichgewichtstörungen oder Lähmungserscheinungen kann außerdem die Aufhängung in einer Schlinge hilfreich sein.